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Kunstschau des Künstlerbundes-MV 2022
 

Kooperation
Annette Stüsser-Simpson, Gert Kant & hal@Th0ma4sk (Hackspace Schwerin e. V.)
Thema »Leerstelle Kunst«


Seit 2020 begleitet uns weltweit die Corona-Pandemie. In dieser Zeit der damit einhergehenden Einschränkungen ist den Menschen verstärkt ihre existenzielle Verwundbarkeit vor Augen geführt worden – physisch wie psychisch. Nicht wenige Künstler sind ins Trudeln gekommen, wie die über das Faltrelief rollenden Kugeln. Für Einige, die die Umstände besonders hart traf und noch trifft, kommt sogar der Sturz ins Nichts, stellvertretend hier im englischen Wort »VOID« – meist gleichbedeutend mit dem Ende der Lebensgrundlage, dem Ende ihrer Kunst. Ohne ausreichenden Schutz der Gesellschaft hängt jedes zufällige oder willkürliche Ereignis dem Soloselbständigen als Damoklesschwert über dem Kopf. Wie der zufällig vorbei schlendernde Betrachter, der den Buzzer drückt, um den Mechanismus in Gang zu bringen, ist es Glückssache, wie sich die Ereignisse für das Individuum, den Künstler und seine Kunst (die Kugel) entwickelt. Im schlimmsten Fall »rollt« man ins Nichts (»VOID«), steht man vor einer »Leerstelle Kunst«.

 

Gemeinschaftsausstellung
800 Jahre Kloster Tempzin

4 künstlerische Positionen_Gemeinschaftsausstellung

Group show

#klostertempzinkunst

Ornamentik ist einer der vielen Bestandteile von Architektur. Letztere ist ein Ergebnis von vom Menschen im Raum aufgestellter Koordinaten, um darin Enklaven, Schutzräume Begegnungsstätten etc. für ein Zusammenleben und Interagieren zu bauen. An und in ihr lassen sich kulturelle Besonderheiten und Kontinuitäten ablesen. Die folgenden drei Arbeiten sind ein Versuch mittels Licht und transparenten Materials, bekannte Details der kirchlichen Architektur herauszulösen und entlang einer bewegten Raumzeit-Struktur zu interpretieren.

X_coptic, 2021 Objekt – Metall, Acrylglas, Lehm und Sand

Sankt Antonius (251-356) lebte mit einigen Gefolgsleuten als Eremit in der östlichen Wüste Ägyptens. Es entwickelte sich nach und nach die erste bekannte monastische Lebensge-meinschaft. Unmittelbar nach dem Tod des Sankt Antonius wurde dort das erste christliche Kloster errichtet.

In der kirchlichen Architektur Ägyptens ist das koptische Kreuz allgegenwärtig. Diese spezielle Form des Kreuzes ist auf den Turmspitzen der koptischen Kirchen weithin sichtbar und wird hier stilisiert wiedergegeben. Die in Gänze erhaltene Bauweise aus gestampfter Erde des ursprünglichen Klosters wird im Sockel aus Lehm zitiert. Sie ist traditionell in ganz Afrika bis heute zu finden. Insgesamt steht die Arbeit auf Sand, stellvertretend für die Wüste, in der sich das Kloster befindet.

Das Kloster in Ägypten liegt 2 km von der Höhle des Sankt Antonius entfernt:

https://bit.ly/3uZ6dAR
Ras Gharib
Red Sea Governorate
Egypt

brick_gothic, 2022Objekt – Metall, Acrylglas, Backstein und Licht. Bei einer Performance ist diese Arbeit zerstört worden, um im Zeitraffer die an sich immerwährende Zersetzung von Matterie zu demonstrieren.

Die Präzeptorei in Kloster Tempzin wurde 1222 gegründet und 1552 aufgelöst. Das Warmhaus und die Ruine eines Gebäudes zeugen noch von der romanischen Bauweise. Die Kirche, deren Mauerwerk Spuren der Romanik aufweist, ist im spätgotischen Stil errichtet.

Der Baustil der Gotik verortet sich zeitlich zwischen Romanik und Renaissance und wurde kunstgeschichtlich zuerst als minderwertig angesehen (von den Goten, den »Barbaren« ab-stammend). Erst ab dem 19. Jahrhundert erfährt der Stil eine Aufwertung. Bekannt in Norddeutschland und im baltischen Raum ist die Backsteingotik, zu der die Kirche in Kloster Tempzin zählt.
Weitere Beispiele von Gebäuden der Backsteingotik:

https://www.eurob.org

triskelion, 2021, Objekt – Metall und Acrylglas

Der Hospitalorden der Antoniter findet seinen Ursprung im Mutterkloster in Saint-Antoine-l'Abbaye in Frankreich. Die Abteikirche wurde zwischen dem 12. und 15. Jahrhundert im frühgotischen Stil erbaut. Das in der zu sehenden Arbeit behandelte architektonische Detail findet sich in dem großen Fenster über dem West-Portal der Kirche. Das Fenster besteht aus in neun Rosetten eingefassten sogenannten Triskelen.

Herausgelöst im Objekt ist das Ornament der Triskele. Sie ist symmetrisch aufgebaut und erfüllt die Prinzipien der Mitte und der Dreigliederung. Aus vorchristlichen Zeiten kommen ihr zahlreiche Bedeutungen zu, z.B. die der drei Jahreszeiten im Verständnis der griechisch-römischen Antike. Und im christ-lichen Sinn die der Dreifaltigkeit. Dieses bekannte Symbol ist vom Norden Europas über den Mittelmeerraum bis nach Asien verbreitet. 

Tour durch die Architektur des Klosters:
https://bit.ly/3LTIN6R
Musée Saint-Antoine-l'Abbaye
Le Noviciat
38160 Saint-Antoine-l'Abbaye
France

trip, 2022, Objekt außerhalb der oberen Serie – Metall, Acrylmedium, Acrylfarbe, Acrylglas, beleuchtet mit Glashaube.

Der Hospitalorden der Antoniter kümmerte sich um Menschen, die sich an Mutterkornalkaloiden vergiftet hatten. Die im Mutterkorn (lat. Claviceps purpurea) enthaltenen Alkaloide finden heute in der Medizin Verwendung, doch beim Verzehr von 5-10g der frischen Körner treten schwere Nebenwirkung auf. Kopfschmerzen, epileptische Anfälle, Taubheitsgefühle, wahrnehmen eines inneren »Brennens«, Durchblutungsstörun-gen bis hin zu Nekrosen (Geschwüre, Abfaulen von Gliedmaßen) sind Symptome die früher allgemein u.a. unter dem Begriff »Antoniusfeuer« zusammengefasst wurden.

Ergotamin, einer der Mutterkornalkaloide, kann als Basis zur Herstellung von LSD dienen und fällt deshalb unter dem deutschen Betäubungsmittelgesetz. Wesentliche Forschung darüber hat A. Hofman betrieben, der Entdecker von LSD.

 

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